07. Juli 2025

Trockenstress im Wald

HSZG-Forschende um Prof. Oliver Wiche untersuchen Wasserhaushalt der Bäume, um den Einfluss des Klimawandels zu erfassen.

Extreme Trockenheit und Rekordtemperaturen prägen das Frühjahr 2025 – mit spürbaren Folgen für Wälder in ganz Europa. Ein internationales Forschungsprojekt untersucht, wie Bäume auf den Wassermangel reagieren. Mit dabei: die Hochschule Zittau/Görlitz. Ein Team um Prof. Oliver Wiche betreibt ein eigenes Messfeld in Sachsen, um den Einfluss des Klimawandels auf den Wasserhaushalt von Böden und Bäumen zu erfassen.

Ein Dürrejahr mit Ansage

Bereits im Frühjahr 2025 warnte der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor einer bedrohlichen Entwicklung: Deutschland erlebte eines der niederschlagsärmsten Frühjahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Zwischen Februar und Mitte April fielen stellenweise weniger als ein Drittel der üblichen Regenmengen. In Nord- und Ostdeutschland war es teils so trocken wie noch nie seit 1950 – und auch in Sachsen lag das Niederschlagsdefizit bei rund 35 %. Die Böden waren vielerorts ausgedörrt, die Oberböden in alarmierendem Zustand. Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zeigte im März 2025 Werte, die in Teilen Deutschlands sogar unter denen des Extremjahres 2018 lagen.

Diese Entwicklungen sind Teil eines europäischen Trends. Der EU-Klimadienst Copernicus meldete für März 2025 die höchste Durchschnittstemperatur eines Märzmonats in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen. Während Südwesteuropa von ungewöhnlich viel Regen betroffen war, fehlte in Mitteleuropa jegliche nennenswerte Niederschlagsmenge. Die Frühjahrsdürre begann außergewöhnlich früh – mit potenziell dramatischen Folgen für Wälder, Landwirtschaft und Wasserversorgung.

Fachleute sprechen von einer gefährlichen Hypothek für den Sommer: Die Böden sind vielerorts aus dem Winter heraus bereits zu trocken, Grundwasserstände sinken, Vegetation und Bäume geraten früh in der Saison unter Wasserstress. Besonders flachwurzelnde Arten wie Birken oder junge Bäume zeigen als Erste Anzeichen von Trockenstress. Die Auswirkungen auf das Wachstum, die Vitalität und langfristige Stabilität von Waldökosystemen sind erheblich – und wissenschaftlich noch nicht in Gänze verstanden.

Messkampagne auf europäischer Ebene

Angesichts dieser Entwicklungen startete im Mai 2025 die Gesellschaft für Ökologie einen Aufruf an wissenschaftliche Einrichtungen in ganz Europa: Messkampagnen zum Bodenwasserhaushalt und zum Trockenstress in Bäumen sollten systematisch durchgeführt und vernetzt werden. Innerhalb kürzester Zeit bildete sich unter Federführung der TU Dresden ein Konsortium aus mehr als 50 Forschungsinstitutionen, darunter Universitäten, Forstämter, Umweltbehörden und spezialisierte Labore.

Ein Ziel des Projekts: belastbare Daten in verschiedenen Regionen und Klimaräumen zu erheben, um die kurzfristigen Auswirkungen der Trockenheit, aber auch langfristige Verschiebungen im Wasserhaushalt der Wälder zu erfassen. Dabei kommen hochsensible Sensorik und moderne Isotopenanalysen zum Einsatz.

Geoökologie-Team der HSZG mit eigenem Messfeld

Auch die Hochschule Zittau/Görlitz bringt sich aktiv in das Projekt ein. Die Arbeitsgruppe Geoökologie unter der Leitung von Prof. Oliver Wiche betreibt gemeinsam mit der TU Bergakademie Freiberg ein eigenes Messfeld in einem Waldstück bei Freiberg. Dort erfassen TDR-Sonden (Time Domain Reflectometry) und Tensiometer kontinuierlich den Bodenwassergehalt und die Wasserverfügbarkeit im Wurzelraum der Bäume.

Zusätzlich werden sogenannte Wasserpotentiale der Pflanzen gemessen – also wie stark Pflanzen das Wasser aus dem Boden „ansaugen“ müssen. Je größer die Anstrengung, desto höher das Wasserpotential und damit auch der potentielle Stress. Über Blattproben werden darüber hinaus physiologische Parameter analysiert, darunter die Konzentration des pflanzlichen Stresshormons Abscisinsäure sowie die Isotopensignatur von 13C, die Hinweise auf Veränderungen in der Photosynthese unter Trockenstress liefern.

Diese Kombination von Feldmessung und Laboranalyse erlaubt uns, sehr genau zu rekonstruieren, wie Bäume mit Wassermangel umgehen – und ab welchem Punkt es kritisch wird.

Prof. Dr. rer. nat. Matthias Oliver Wiche, Hochschule Zittau/Görlitz

Relevanz für Waldumbau und Klimaanpassung

Die gewonnenen Daten fließen in das europaweite Forschungsnetz ein. Ziel ist es, ein differenziertes Bild zu erhalten, wie unterschiedliche Baumarten und Waldstandorte auf zunehmende Trockenheit reagieren. Denn die bisherigen Dürrejahre (2018–2020) haben gezeigt: nicht nur Fichten, auch viele Laubbaumarten geraten zunehmend unter Druck.

Auf Grundlage solcher Studien lassen sich gezielte Strategien entwickeln – etwa welche Baumarten künftig bevorzugt aufgeforstet werden sollten, wie Böden besser Wasser speichern können oder wo durch gezielte Eingriffe (z. B. Totholzentnahme, Unterwuchsmanagement) die Resilienz des Waldes gestärkt werden kann.

Auch auf regionaler Ebene wird das Wissen dringend gebraucht. In Sachsen etwa sank 2025 der Wasserstand an über 80 % der Messstellen – ein Alarmsignal für Forstwirtschaft, Naturschutz und Wasserwirtschaft gleichermaßen.

Wissenschaft in Echtzeit

Das Messfeld bei Freiberg ist ein Baustein in einem größeren Puzzle: Es trägt dazu bei, Klimafolgen nicht nur rückblickend zu analysieren, sondern in Echtzeit zu beobachten. So entsteht ein Frühwarnsystem für die Wälder, das auf wissenschaftlich gesicherten Grundlagen beruht – ein wichtiger Schritt, um Anpassungsmaßnahmen rechtzeitig zu entwickeln.

Mit ihrem Beitrag zeigt die Hochschule Zittau/Görlitz, wie anwendungsnahe Forschung und europäische Zusammenarbeit Hand in Hand gehen können – und wie wichtig regionale Hochschulen für die Lösung globaler Umweltfragen sind.

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