29. April 2015

Symposium: „Wieviel Arbeit braucht der Mensch?“

Ein Bericht aus der Teilnehmerperspektive von Frau Dipl. Kommunikationspsychologin Silke Daufratshofer

Ein Tag, der sehr interessant und spannend verlief, auch - oder gerade - weil er anders verlief als er geplant war. Gäste aus Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung, interessierte Bürger und studierende aus unterschiedlichen Studienrichtungen trafen sich zum Thema „Arbeit“. Der Eröffnungsvortrag von Herrn Prof. Dr. rer. nat. Matthias Schmidt: „Warum müssen wir arbeiten wollen“ bot einen spannenden Einstieg ins Thema. Die Allensbacher Berufsprestige-Skala zeigte dem Zuhörer den Arzt auf dem unumstößlichen ersten Platz und den Pfarrer mit einem deutlichen Prestige-Verlust über die letzten Dekaden. Arbeit ist heute mehr als nur Broterwerb. „Sag mir was Dein Job ist und ich weiß wer Du bist“ - in Single-Börsen Gesprächsthema Nummer eins. Neben der moralischen Dimension der „Arbeit“ wurde auch die anthropologische Perspektive beleuchtet: die Nord- und die Süd-Halbkugel haben wohl auch durch unterschiedliche Umwelteinflüsse die Arbeitsmentalität nachhaltig geprägt – bis heute. Weitere Aspekte wie die Vermarktung von Emotionsarbeit, Work-Life-(Im-)Balance und hin zu den ganz ähnlichen Krankheitsfolgen der Erwerbsarbeit im Vergleich zu Erwerbslosigkeit wurden angesprochen - Arbeit; ein weites Feld. Also ist Arbeit doch mehr als nur Broterwerb?   Mit Dipl. Kommunikationspsychologen Benjamin Zips und der Frage über die „Sinnlosigkeit der Arbeit und die Arbeit an der Sinnlosigkeit“ wurde ein kommunikationspsychologischer Aspekt der Arbeitswelt zum Thema gemacht. Spaltung von innerer und äußerer Kommunikation, der als Ergebnis der modernen Innovations-Offenheit folgerichtig bei Mitarbeitern, aber auch bei Vorgesetzten als Form der Anpassung an Ansprüche an die Arbeitswelt passiert. Solange alle dem Chef zunicken, innerlich den Kopf schütteln und die Arbeit für alle Seiten getan wird, stellt dies kein Problem dar. Steigen jedoch die Krankheitsraten, niemand fühlt sich verantwortlich und ja-sagen wird nur noch gesagt und nicht mehr getan, dann wird es für ein großes Problem – in erster Linie für Unternehmen. Und dann kommt Benjamin Zips in die Firmen, hört allen Seiten gut zu, stellt die richtigen Fragen, erfragt Ziele und im strukturierten Dialog wird wieder alles gut. Das wünscht man sich doch für jedes Unternehmen, schon bevor die Belegschaft innerlich gekündigt hat. Wow. Diskussion. Können Mitarbeiter solch einen Berater ins Unternehmen holen? Soll die Führungsspitze dem demoralisierten Mitarbeiter das nächste Change Management-Projekt überstülpen? Spannend. Der Dialog ist eröffnet und das Publikum füllt die Themen mit Leben.

Da passt nach der kurzen Mittagspause der anschließende Vortrag von Dipl. Kommunikations- und Prozesspsychologen Jörg Heidig:„Läuft’s noch…“ allerbestens. Diagnose als selbsterfüllende Prophezeiung, Burnout als Adelstitel für sich selbstaufopfernde Mitarbeiter – nur wer für eine Sache brennt, kann verbrennen. Oder zu doof für die Work-Life-Balance? Doch nicht der perfekte Mitarbeiter, denn als solcher muss man ja heute auf die eigene geistige Psychohygiene achten. Und wer brennt mit höchster Wahrscheinlichkeit aus? Heimleiter. Lehrer. Eben die sozialen Berufe. Eben die Berufe, die nicht den PC ausmachen können und morgen weiter den aggressiven Ausbruch von Peter mit Marcel besprochen können; auch Herr Müller muss heute Abend noch sein Abendbrot bekommen und gewaschen werden, und nicht erst morgen früh. Eben die sozialen Berufe, die mit Menschen arbeiten, die können sich schwer von der Arbeit trennen, weil sie eben nicht einfach aufhört, wenn man für heute eigentlich - mit den Nerven - fertig ist. Die Diskussion nimmt mit neuem Futter weiter Fahrt auf. In den Pausen gibt es kleinere Grüppchen die mit Kaffee in der Hand und Brötchen in der anderen weiterdiskutieren. Frau Dipl. Psychologin Dr. Sandra Wolf von der Firma Innsicht aus Dresden gibt uns die Ehre: „Wieviel Arbeit ist eigentlich gesund?“ Arbeitsbelastung als messbare Größe durch PREVA-Verfahren , Beobachtungen, Fragebögen und Workshops. Spannend. Mitten aus der Praxis. Interaktion mit dem Publikum: Frau Dr. Wolf zeichnet einen Smiley auf ein grünes Kärtchen und wird einem Teilnehmer gereicht. Die Lieblingsfrage des Psychologen folgt: „Und, wie geht es Ihnen jetzt damit?“. Schön, wenn man ein Lächeln bekommt. Unbedingt! Von Frau Wolf nicht nur das auf Papier, sondern sie strahlt den ganzen Vortrag lang. Lächle, und die Welt gehört Dir. Arbeitsbelastung ist etwas sehr subjektives, genauso wie die beiden Männlein, die an der beladenen Karre stehen. Der Kleine, der schwitzt und ächzt und kann den Wagen kaum anheben; und der Große, der noch locker eine Zigarette nebenher rauchen kann. Schön, wenn die sichtbare physische Belastung so gut erkennbar ist – aber was ist mit der versteckten psychischen Belastung. Und erkennen wir sie erst, wenn wir deren Grenze erreicht haben oder wenn wir sie gar überschritten haben? Frau Dr. Wolf sagt: es gibt keine objektiven Belastungsgrenzen außer die des Arbeitsschutzes. Aber die beziehen sich eben auf physische, nicht auf die psychische Belastung. Diskussion. Den pragmatischen und technokratischen Blick auf das wirtschaftliche Wachstum der letzten mehr als hundert Jahre bildete der Vortrag von Dipl.-Ing. Markus Will von der Fakultät Mathematik/Naturwissenschaften: „Eine chrono-ökonomische Herleitung der Suffizienz“. Hier wird das sich in der Diskussion emotional ausgeweitete Thema wieder eingefangen und objektiviert. Die Diskussion wird jetzt wieder abstrakter, aber genauso lebendig weitergeführt. Die Termine für die Workshops sind lange wegdiskutiert, aber die Freude und das Interesse ist allen Anwesenden anzusehen und zu hören. 16 Uhr! Wow, was für ein Tag! Das Publikum applaudiert, gibt wertschätzendes Feedback zurück und freut sich auf das nächste Symposium. Spätestens in einem Jahr an der gleichen Stelle. Ja, der Workshop fiel aus, aber wir haben nichts verpasst. Der Tag hatte einen dynamischen Flow – gefehlt hat nichts. Nichtsdestotrotz: den Workshop kann man das nächste Mal mitnehmen. Ein Grund wiederzukommen. Denn es geht weiter. Schon am 10.07.2015 an der Dresden International University. Eine Vortragsreihe, die am Puls der Zeit sehr abwechslungsreich mit vielen Aspekten ein Thema ganz wunderbar mit lockerer Theorie, lebendiger Praxis und engagierten Rednern sowie Organisatoren diesem Samstag als besonderes Highlight in der Erinnerung aller Teilnehmer bleiben wird. Und Reihe bedeutet ja, da kommt noch was hinten dran. Es lohnt sich ganz sicher wieder.

Text: Dipl. Kommunikationspsychologin Silke Daufratshofer

Foto: Prof. Dr. rer. nat. Matthias Schmidt
Ihr Ansprechpartner
Prof. Dr. rer. nat.
Matthias Schmidt
Fakultät Sozialwissenschaften
02826 Görlitz
Brückenstraße 1
Gebäude II, Raum 156
Erdgeschoss
+49 3581 374-4315