26. April 2018

Ringvorlesung im Sommersemester 2018

„Intersubjektivität, Grenze und Alterität. Soziale Beziehungen in Wechselwirkung mit Kultur und Gesellschaft“

Dipl.- Paed. Jan Steffens:

„Intersubjektivität, Grenze und Alterität. Soziale Beziehungen in Wechselwirkung mit Kultur und Gesellschaft“

 

Am 5. April 2018 besuchten circa 65 Interessierte die zweite Vorlesung der Ringvorlegung zum Thema „Der ostmitteleuropäische Raum: Alte und neue Grenz(überschreitung)en“ im Hörsaal des Standortes Görlitz. Referent war dabei der Diplom-Pädagoge Jan Steffens von der Technischen Universität Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften.

 

Während in der ersten Vorlesung (22. März 2018) „Grenzland- Brückenland. Grenzen in der Geschichte Schlesiens und der Oberlausitz“ − gehalten von dem Direktor des Schlesischen Museums Dr. Markus Bauer −, vor allem eine historische Sicht auf Grenzen im geographischen und kulturellen Bezug beleuchtet wurde, widmete sich Herr Steffens einer pädagogischen bzw. kultur-sozialtheoretischen Betrachtungsweise des Themas.

 

Den Einstieg in die Vorlesung gestaltete Herr Steffens mit einem Video von der Amnesty International Poland aus dem Jahr 2016, das ein Experiment zeigte, in dem sich fremde Personen verschiedener Kulturen vier Minuten lang direkt in die Augen gesehen haben. An die im Video offensichtlich gewordene Intimität knüpfte der Referent an und benannte „Grenze als ‚Raum der Begegnung‘“. Im Folgenden nahm Herr Steffens oft Bezug auf Erkenntnisse beispielsweise auf Lew Vygotski sowie Wolfgang Jantzen, die diese Idee unterstützen. Somit wurden in dieser Vorlesung „Grenze nicht als Linie, sondern als Raum des Übergangs und der Interaktion“ betrachtet. Menschen bräuchten demzufolge Kontakt zu anderen Menschen, um sich in kultureller und gesellschaftlicher Verbindung weiterentwickeln zu können. Denn die Persönlichkeit eines Individuums entsteht eben an solch einer Grenze und im Austausch mit dieser.

 

Als nächster Schritt übertrug Herr Steffens diesen Inhalt auf kulturelle Räume. Dabei werden kulturelle Räume durch gemeinsame Erfahrungen und erlebte Geschichten im zwischenmenschlichen Bereich gekennzeichnet, beispielsweise auch durch Sprache. An der Grenze zwischen zwei kulturellen Systemen findet demnach wieder eine Interaktion statt. Folglich entsteht eine Gesellschaft an jenen Grenzen zwischen Menschen und geht dabei über kulturelle Systeme. Im gleichen Zuge werden Sinnzuweisungen institutionalisiert, beispielsweise werden Begriffe übernommen, um die Komplexität zu reduzieren. Schließlich bilden sich daraus Ideologien, Weltanschauungen oder ganze Gesellschaftsordnungen, welche die Individuen in ihrem Denken und Handeln beeinflussen. Wenn diese Prozesse nicht mehr hinterfragt werden, entstehen Machtverhältnisse, so schloss Herr Steffens diesen Punkt.

 

Im Kontext zur Entstehung zu geographischen oder politischen Grenzen, die aus Sicht von Herr Steffens immer als Produkt sozialer Prozesse entstehen, konnten die Zuhörenden Verbindungen zur vorangegangenen Vorlesung von Dr. Bauer ziehen.

 

Als abschließenden Inhalt thematisierte Herr Steffens hierarchische Grenzen. Hierbei griff er das Thema der Machtverhältnisse erneut auf. Soziale Klassifizierungen, die sich während den Interaktionen in Grenzräumen bilden können, werden institutionalisiert und mit der Zeit als ‚normal‘ und naturgegeben angesehen. In diesem Kontext wird die Empathie außer Kraft gesetzt und es entsteht soziale Exklusion. Folglich forderte Herr Steffens nach einer Rehumanisierung und gab dafür Lösungsvorschläge an.

 

In der folgenden etwa zwanzigminütigen Diskussion wurde vor allem nach neuen Möglichkeiten zur Veränderung der hierarchischen Machtverhältnisse gesucht. Herr Steffens deutete an, dass die Resonanz-Momente zwischen Individuen gestärkt bzw. ausgebaut werden müssten. Wie genau dies praktisch funktionieren sollte, muss mehr thematisiert bzw. erforscht werden. Anhand der Fragen wurde offensichtlich, dass viele Zuhörende sehr am Thema interessiert waren und neuen Denkansätze mitnehmen konnten.

 

In der nächsten Vorlesung am 19. April 2018 erwartet Interessierte eine Lesung durch den Referenten Hynek Böhm von der Technical University of Liberec zum Thema „On Border Construction and Social-Geographical Aprroaches“. Nach den bereits präsentierten historischen und kultur-sozialtheoretischen Ansichten zum Thema Grenze bleibt abzuwarten, welche Sicht in der kommenden Vorlesung kommentiert wird und genau dies macht diese Ringvorlesung so abwechslungsreich.

 

Text: Petra Eichler, Studentin im Studiengang Soziale Arbeit

Fotos: Cornelia Müller


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Cornelia Müller
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