08. Mai 2019

„Die Grenze ist nicht der Rand, sondern der Mittelpunkt unserer Zusammenarbeit“

Vom 13.-17. Mai findet die erste Tschechisch-Deutsche Erasmus+ Staff Week statt. Ein Interview mit den Initiatorinnen Lucie Koutkova und Stephanie Ludwig.

HSZG: Frau Koutkova, Frau Ludwig, Sie organisieren gemeinsam eine Erasmus+ International Staff Week an der TU Liberec und der Hochschule Zittau/Görlitz. Um was geht es dabei eigentlich?

 

Stephanie Ludwig: Erasmus+ ist das größte und wichtigste Mobilitätsprogramm Europas. Es geht darum, Studierenden und Hochschulpersonal die Möglichkeit zu geben, Hochschulen in anderen Ländern kennenzulernen sowie interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Zu diesem Zweck kooperieren wir mit einer Vielzahl an Partnerhochschulen in Europa. Dieser interkulturelle Austausch scheint mir in diesen Zeiten, in denen die europäische Idee eher kritisch diskutiert wird, besonders wichtig.

Lucie Koutkova: Von meinem Blickpunkt aus ist es sehr wichtig, dass wir die Staff Week gemeinsam veranstalten. Denn es ist eigentlich die erste grenzübergreifende Erasmus+ Staff Week, die von einer tschechischen und einer deutschen Hochschule organisiert wird. Da dies auch die Idee von Erasmus+ ist, eine internationale Hochschullandschaft zu gestalten, haben wir hier zum ersten Mal gesagt: das machen wir jetzt und zwar wortwörtlich.

 

HSZG: Was bedeutet Staff Week?

 

Lucie Koutkova: Die Grundidee von Erasmus+ ist, dass Studierende ein Praktikum oder ein Studium im Ausland machen, um neue Erfahrungen zu sammeln. Man hat aber auch nach Wegen gesucht, wie man Angestellten die gleichen Erfahrungen zugänglich machen könnte. Und durch diese Suche nach Möglichkeiten sind die International Staff Weeks entstanden.

 

HSZG: Also quasi ein Mitarbeiter-Erasmus?

 

Lucie Koutkova: Genau! Sowohl Lehrende als auch Nicht-Lehrende können daran teilnehmen. Dabei ist die Grundidee, dass man seine Partner einlädt und sie die Institution kennenlernen. Es geht auch darum, Probleme zu lösen und Beziehungen zu knüpfen.

Stephanie Ludwig: Staff Weeks ermöglichen, dass sich die Mitarbeiter der International Offices, aber auch Mitarbeiter anderer Verantwortungsbereiche wie Bibliotheken, Marketingabteilungen oder Studentenwerke der Hochschulen vernetzen und so ebenfalls die Möglichkeit erhalten, sich auf internationaler Ebene auszutauschen. In den International Offices passiert das ja schon täglich. Die anderen Bereiche der Hochschulen sind normalerweise bei so einem internationalen Austausch eher außen vor. Das große Ziel ist es aber, die Hochschulen insgesamt internationaler aufzustellen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zukünftig vermehrt internationale interkulturelle Einblicke zu ermöglichen.

 

„Die Grenze ist nicht der Rand, sondern der Mittelpunkt unserer Zusammenarbeit“

 

HSZG: Was ist das besondere an der kommenden Staff Week?

 

Stephanie Ludwig: Wir befinden uns hier in Grenznähe: Wer, wenn nicht wir, könnte so ein internationales Format aufstellen? Zwei Hochschulen, drei Länder, eine Staff Week. Bei einer Neuauflage wäre es für uns auch denkbar, weitere in Grenznähe befindliche Hochschulen, wie z.B. unsere Partner in Wroclaw mit einzubeziehen. In diesem Jahr werden wir die Gäste offiziell während unseres Abschlussessens in Zgorzelec verabschieden.

Lucie Koutkova: Hochschulen positionieren sich meist in einem nationalen Rahmen. Die Technische Universität in Liberec vergleicht sich mit anderen Universitäten in der Tschechischen Republik und steht so in Konkurrenz zu den großen Universitäten in Prag oder Brünn. Wir sind dann praktisch nicht im Zentrum des Landes, sondern am Rande. Das ist in Liberec auch immer ein Thema. Durch die Staff Week machen wir diesen Rand, die Grenze, zum Zentrum. Unsere Region hat großes Potential. Wir wollen dieses Potential zukünftig intensiver nutzen.

Das, was wir hier machen, ist eine Art von Verschiebung im Denken. Das ist für mich eine ganz wichtige Idee: Die Grenze ist nicht der Rand, sondern der Mittelpunkt unserer Zusammenarbeit. Und die Grenze wird produktiv. Dadurch können wir besser zusammenarbeiten und Ergebnisse auf einem ganz anderen Niveau erzielen, wenn wir es richtig anpacken.

Stephanie Ludwig: Wir wollen für Sichtbarkeit sorgen. Zeigen, dass es auch hier in Grenznähe sehr gute Hochschulen gibt, die sich international aufstellen und interessante und qualitativ hochwertige Studienangebote machen.

 

HSZG: Wie wird die Woche ganz praktisch ablaufen?

 

Stephanie Ludwig: Es sind verschiedene Workshops geplant, wir wollen den Teilnehmern die Regionen zeigen, also Zittau, Görlitz, Liberec, ein kleines Stück von Polen. Wir wollen uns vernetzen mit den Teilnehmern und natürlich voneinander lernen. Uns als gute Gastgeber präsentieren.

 

HSZG: Was könnten beide Institutionen voneinander lernen?

 

Lucie Koutkova: Alle Hochschulen haben im Moment viele Partnerschaften. Aber man kann natürlich nicht mit allen Partnern die gleiche Qualität herstellen. Deswegen sucht man nach strategischen Partnerschaften. Ich sehe die Zusammenarbeit der TU Liberec und der HSZG in der Zukunft als eine produktive und strategische.

 

HSZG: Was erhoffen Sie sich von der kommenden Staff Week?

 

Stephanie Ludwig: Wir wollen den Teilnehmern, die nicht nur aus Europa, sondern auch aus Asien und Afrika anreisen, zeigen, was bei uns möglich ist. Dass sowohl die TUL als auch die HSZG attraktive Hochschulen sind und ein großes Potential haben. Das Wesen einer Staff Week ist es auch immer, die eigene Hochschule so gut wie möglich zu präsentieren. Deshalb ist es wichtig, diese Woche mit Leben zu erfüllen, mit Workshops, Campus- und Laborführungen, sowie einem ansprechenden Rahmenprogramm. All diese Aktivitäten leben vom Zusammenwirken aller Hochschulgruppen, den Studierenden genauso wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So erleben unsere Gäste, dass die internationale Idee nicht nur durch die International Offices in die Hochschulen hineintransportiert, sondern im Grunde von allen gelebt wird.


Das Gespräch führte Sophie Herwig.

Weitere Informationen

Programm der Staff Week zum Download

Webseite der TU Liberec

Webseite Erasmus+

Foto: Ph. D. Lucie Koutková
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Lucie Koutková