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18. April 2024

„Ich empfinde meinen Beruf als familienfreundlich“

Prof. Dr.-Ing. Stefan Reitmann ist neu im Fachbereich Informatik in Görlitz. Im Interview erzählt er von seinem internationalen Werdegang und seiner Vorliebe für Videospiele.

Neuberufung: Prof. Dr.-Ing. Stefan Reitmann ist seit Anfang des Jahres neu an der Fakultät Elektrotechnik und Informatik im Fachbereich Informatik in Görlitz. Im Interview erzählt er von seinem internationalen Berufsweg, seinen kleinen Töchtern und seiner Vorliebe für Videospiele.

Herr Prof. Dr. Reitmann, Sie sind weit gereist, unter anderem waren Sie in den USA, in Russland und Schweden, aber auch in Freiberg: was verschlägt Sie in die Oberlausitz?

Hallo erst einmal von mir! Es stimmt, dass sehr verschiedene Stationen meine Vita prägen, obwohl ich lustigerweise gar nicht so gerne reise. Ich habe einen stark wissenschaftlich geprägten Berufsweg hinter mir, der mir gezeigt hat, dass Dinge oft kaum planbar sind. Gerade wenn man sich spezialisiert, ist es schwer abzuschätzen, wo und wann sich im akademischen Umfeld passende berufliche Möglichkeiten ergeben, oder auch Professuren ausgeschrieben werden. So sind z. B. auch meine Tätigkeiten als Gastwissenschaftler an der Universität Lund in Schweden und dem MIT in den USA eher zufällig zustande gekommen.
 

Jetzt haben Sie mit der Professur an der HSZG ja eine thematisch passende und für Sie wahrscheinlich hochinteressante Tätigkeit im näheren Umfeld Ihrer Heimatregion gefunden?

Ja, das ist prima. Meine bisherigen Eindrücke sind sehr positiv. Da die Familie meiner Frau aus Seifhennersdorf stammt, kenne ich auch ein paar Ecken rund um Zittau, und ich freue mich darauf, auch die Region um Görlitz noch besser kennenzulernen.
 

Wo stammen Sie ursprünglich her?

Ich bin geboren und aufgewachsen in Dresden. Dort bin ich bis heute auch verwurzelt, aber gearbeitet habe ich nie in meiner Heimatstadt. Meine Familie hat mich stark beruflich geprägt, da mein Vater Mathematik-Professor ist und ich so frühzeitig Einblicke in dieses Berufsfeld bekommen konnte.
 

Sie sind seit Januar 2024 an der HSZG Professor für Mensch-Computer-Interaktion. Für alle, die nicht viel mit Nullen und Einsen anfangen können: was machen Sie da genau?

Generell beschäftigt man sich in diesem Bereich mit der Art und Weise, wie wir Menschen mit Computern kommunizieren. Zwischen uns, unter Berücksichtigung verschiedener Wahrnehmungsaspekte, und dem Computer als technisches System existiert eine Schnittstelle (bspw. eine Benutzeroberfläche), deren Konzeption und Gestaltung entscheidend dafür ist, wie gut diese Kommunikation funktioniert. Das macht den sehr interdisziplinären und vielseitigen Charakter des Fachgebiets aus. Mein Schwerpunkt ist dabei der Bereich der Virtuellen und Augmentierten Realität – Techniken, die man als modernste Form einer solchen Mensch-Computer-Schnittstelle bezeichnet. Das Spektrum möchte ich auch in der Lehre an der HSZG abdecken, indem wir den Bereich der Mensch-Computer-Interaktion in die neue Studienordnung der Informatik integrieren und dort Themen wie UI/UX-Design, Computergrafik, VR&AR und interaktive Systeme (das können auch Spiele sein) verankern.
 

Sie haben 2015 an der TU Dresden ihr Studium Verkehrsingenieurwesen als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. In Ihrer Doktorarbeit beschäftigten Sie sich am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt vier Jahre lang mit der Anwendung neuronaler Netze in der Zeitreihenvorhersage bei Flugverkehrsprognosen. Klingt spannend – was haben Sie herausgefunden?

Die Doktorarbeit am DLR war für mich eine wunderbare Möglichkeit, mich mehr auf ein Thema der Informatik einzulassen, nachdem ich mit meinem gewählten Erststudium in Verkehrsingenieurwesen nicht vollends zufrieden war. Ich habe neuronale Netze als Teilbereich des maschinellen Lernens genutzt, um Flugverspätungen an Flughäfen unter Nutzung verschiedener Datenquellen (bspw. Wetter) vorherzusagen. Das hat unter bestimmten Bedingungen gut funktioniert, unter anderen wiederum nicht. Auch KI vollbringt nicht zwangsläufig immer Wunderdinge.
 

Sie sind neben Ihrer Anstellung an der HSZG auch Gastforscher an der Universität Lund, in Schweden. Wie kann man sich das vorstellen?

Ich habe im Frühjahr 2023, nach meiner Zeit an der TU Bergakademie Freiberg, eine PostDoc-Stelle an der Universität Lund begonnen, wo ich in einem Projekt zu Mensch-Roboter-Interaktion geforscht habe. Von dieser Stelle bin ich zur HSZG gewechselt. Das Projekt läuft jedoch noch eine gewisse Zeit und macht mir viel Spaß. Ich kann es auch thematisch perfekt mit den Schwerpunkten in Görlitz verbinden. So hat Schweden mir in kleinem Rahmen noch die Möglichkeit gegeben, an dem Projekt aus der Ferne mitzuarbeiten. Ein paar wenige Male pro Jahre schaffe ich es auch nach Lund, um mich dort mit der Forschungsgruppe auszutauschen. Die Forschungsarbeiten fließen auch in die Lehre mit ein, bspw. in Form von Projekt- und Abschlussarbeiten, und sind eine schöne Ergänzung.
 

Sie sind viel unterwegs, oder? Sie leben mit Ihrer Familie in Dresden und pendeln jeden Tag nach Görlitz. Wie vereinbaren Sie den Professorenberuf, Forschung und Familie?

Tatsächlich prägt die Pendelei mein komplettes bisheriges Berufsleben und ich habe für mich gelernt, daraus das Beste zu machen. Ich empfinde meinen Beruf jedoch als durchaus familienfreundlich, da ich – bis auf feste Termine in Lehre und Gremien – sehr zeitflexibel arbeiten kann. Meine Töchter sind noch relativ klein, weshalb es schön ist, wenn ich nachmittags nach der KiTa mit ihnen Zeit verbringen kann und Teile der Arbeit dann abends erledige. Außerdem unterstützen uns sowohl die Eltern meiner Frau, als auch meine Eltern sehr, was keine Selbstverständlichkeit ist, aber alles etwas flexibler macht.
 

Sie sind Mitglied im Chaos Computer Club und haben ein eigenes Computerspiel entwickelt: Kann das sein, dass Sie ein richtiger Nerd sind, so wie er im Buche steht?

Ein eigenes Computerspiel zu entwickeln war für mich lange ein Jugendtraum. Daher habe ich mit einem anderen Doktoranden eine Idee entwickelt und dafür auch Fördergelder bei einer Medienförderungsgesellschaft eingeworben, sodass daraus eine kleine Firma wurde. Die Erfahrungen dieser Zeit (inhaltlich wie organisatorisch) haben mich stark geprägt und hatten auch durchaus Einfluss auf meine fachliche Ausrichtung und meine Tätigkeit als Professor. Der Doktorand, mit welchem ich das Spiel entwickelt habe, hat mich auch zum CCC gebracht. Dort begeistern mich vor allem Vorstöße, in den Bereichen Datenschutz und technische Nachhaltigkeit, welche aus meiner Sicht eigentlich oft eine positive Botschaft beinhalten. Ich bin aber nur ein unterstützendes Mitglied und nicht selber aktiv. Generell interessieren mich viele verschiedene Computerthemen, weshalb der Begriff Nerd naheliegt, aber ich habe viele Menschen kennengelernt, die so viel mehr technisches Verständnis haben als ich, dass ich es von mir selbst nicht sagen würde. 
 

Wie fahren Sie Ihr System am besten runter? Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?

Allzuviel Freizeit bleibt momentan nicht übrig und oft freue ich mich auch einfach darüber, wenn ich mal mit meiner Frau in Ruhe einen Film oder eine Serie schauen kann. Mir persönlich hilft beim Runterfahren am meisten Sport, vor allem im Kraftraum mit ein paar schweren Gewichten. Wenn ich mich mit Musik im Ohr auspowern kann, ist das für mich ein enormer Ausgleich. Falls noch ein paar Minuten übrig bleiben, spiele ich ab und an Schlagzeug.
 

Bio Gurke in Plastik Verpackung oder regionale Gurke?

Wir versuchen generell unseren Verpackungsmüll zu reduzieren (als Familie kommt echt viel zusammen) und auf regionale Produkte zu setzen. Das klappt nicht immer, aber wir sind schon besser, als vor ein paar Jahren. Meine Frau hat neben ihrem Studium in einem Bio-Supermarkt gearbeitet und mich da positiv beeinflusst.
 

Für einen Icebreaker im Flur: welches Sternzeichen sind Sie?   

Jungfrau.


Wochentags: Mensa-Essen, Restaurant oder Food-Prep?

Tatsächlich schon immer, egal ob Student, Doktorand, PostDoc oder Prof: Food-Prep. Mit unzähligen Frischhaltedosen.
 

Wochenende: Restaurant, selber kochen oder Schnitte?

Mal so, mal so. Momentan ist Restaurant mit zwei kleinen Kindern noch nicht so entspannt, dafür essen sie lieber Gemüse als Fast Food. Ich kann mich also nicht beschweren.
 

Welche Bücher wollen Sie dieses Jahr unbedingt noch lesen?

Ich möchte mich wieder mehr an Science-Fiction-Literatur heranwagen. Vor allem klassische Autoren, wie bspw. Stanislaw Lem oder Isaac Asimov, haben es mir angetan, mir fehlen da jedoch ein paar wichtige Bücher. Die Foundation-Trilogie steht dieses Jahr definitiv auf meiner Liste.
 

Ihre aktuell größte Herausforderung?

Alles unter einen Hut zu bekommen, vor allem Beruf und Familie, ist durchaus herausfordernd innerhalb des Semesters, gerade mit Lehrveranstaltungen, die man zum ersten Mal hält. Aber bisher klappt das alles recht gut. 
 

Sind Sie gut angekommen im neuen Job, in Görlitz, an der HSZG?

Ja, das Kollegium hat mich sehr offen aufgenommen und ich habe während meines „Onboardings“ viel Unterstützung von allen Seiten erfahren. Auch die Studierenden nehmen die neuen Themen gut an, was nicht selbstverständlich ist, da dieser Schwerpunkt der Mensch-Computer-Interaktion auch erst einmal in der neuen Studienordnung integriert werden muss. Klar gibt es am Anfang auch immer mal Schwierigkeiten, z. B. wenn noch die passende Technik für die Lehre fehlt, aber das kann man jetzt nach und nach angehen. Ich freue mich jedenfalls auf meine weitere Zeit an der HSZG.

 

Das Gespräch führte Sophie Herwig.

Ihre Ansprechperson
Prof. Dr.-Ing.
Stefan Reitmann
Fakultät Elektrotechnik und Informatik
Fachbereich Informatik
02826 Görlitz
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Erdgeschoss
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