25. Juni 2019

Keine Angst vor Hetze

HSZG Student Anass Halime überschreitet gern Grenzen. So war er der erste Araber in Sachsens Feuerwehr – in der Zittauer. Vom AfD-Erfolg lässt er sich nicht einschüchtern.

Aus Sächsische Zeitung, Zittau 17.06.2019 17:00 Uhr, Von Jan Lange

Dass eine Partei mit dem Slogan "Kein Islam in der Oberlausitz" Wahlkampf macht, kann Anass Halime nicht nachvollziehen. Der 22-Jährige ist selber Muslim und versteht nicht, warum gegen seine Religion so gehetzt wird. Angst hat er deshalb aber keine. Und er denkt auch nicht daran, der Oberlausitz, wo die AfD bei der jüngsten Wahl stärkste Kraft wurde, den Rücken zu kehren. "Man darf sich nicht zuhause verstecken", findet der junge Marokkaner. "Man muss mit den Leuten reden, ihnen mehr erklären über den Islam und zeigen, dass Muslime keine schlechten Menschen sind", fügt er hinzu.

Anass Halime geht dabei auch unkonventionelle Wege. Kürzlich besuchte er eine christliche Gemeinde. Ein Freund von der Hochschule Zittau/Görlitz hatte ihn dorthin eingeladen. Und der 22-Jährige ist hingegangen, denn er will die Kultur und Religion seines Gastlandes besser kennenlernen. Während viele Europäer keine Hemmungen haben, auch mal eine Moschee zu besuchen, ist es bei Muslimen nicht unbedingt üblich, in Kirchen anderer Religionen zugehen. „Es ist auch eine Versammlung von Gläubigen", meint Anass Halime und fügt hinzu: „Auch dort kann man über falsche Gedanken über den Islam sprechen oder über Religiosität an sich."

Vor einigen Tagen hatte er auch an einer Veranstaltung in der Hochschule zum Thema „Religion als Integrationsressource" teilgenommen. Als einziger Muslim sprach er dort mit vielen Christen über den Glauben.

Der junge Marokkaner gibt sich alle Mühe, sich in Deutschland zu integrieren. Dabei ist er auch schon mal ein Vorreiter. Wie bei der Feuerwehr. Im Vorjahr hatte er sich der Zittauer Löschtruppe angeschlossen, war zu diesem Zeitpunkt der erste Araber, der in einer sächsischen Feuerwehr im Einsatz war. Inzwischen gibt es weitere Kameraden, die aus dem arabischen Raum stammen – so der Iraker Mustafa Abdullah, der seit Oktober 2018 Mitglied der Ostritzer Feuerwehr ist.

Anass Halime absolvierte im vergangenen November die Prüfung zum Feuerwehrmann. Inzwischen hat er auch den Sprechfunklehrgang mit Erfolg abgeschlossen. Demnächst folgt noch die Ausbildung zum Atemschutzträger. Die dafür notwendigen medizinischen Untersuchungen hat er gemacht, in den nächsten Monaten wird dann der eigentliche Lehrgang beginnen. Vor einigen Tagen erhielt er bereits seinen eigenen Pieper, mit dem er jederzeit alarmiert werden kann. So wie am 12. Juni nach dem heftigen Sturm. Mit ausgerückt ist er dabei zwar nicht, aber er war unterstützend auf der Wache tätig.

Obwohl er die ersten Ausbildungen noch als Mitglied der Zittauer Feuerwehr absolvierte, ist der 22-Jährige nun bei der Görlitzer Löschtruppe engagiert. Denn im Vorjahr ist er in die Neißestadt umgezogen – wegen seines Studiums. Seit dem Herbst studiert er an der HSZG Informatik. Da die Informatiker ihren Sitz in Görlitz haben, ist er natürlich auch dorthin umgezogen. Wenn er in Görlitz wohne, soll er sich auch in der dortigen Feuerwehr engagieren, empfahl ihm der Zittauer Feuerwehrchef Uwe Kahlert. Ihn hat der junge Marokkaner als sehr netten Menschen kennengelernt und ist ihm sehr dankbar für die Offenheit. Das habe ihn motiviert, weiter bei der Feuerwehr zu bleiben.

Er begegnete vielen freundlichen Menschen, erlebte aber auch schon die Schattenseiten. So gab es manchmal eine dumme Bemerkung – das sei bisher aber selten der Fall gewesen, erklärt Anass Halime. Eine Frau wollte gar nicht mit ihm sprechen. Das überraschte ihn. Zuerst dachte der 22-jährige, es sei ein Spaß, aber die Frau meinte es durchaus ernst. Der junge Marokkaner spricht ganz locker über solche Erlebnisse. Andere Ausländer, weiß Anass Halime, haben nach schlechten Erfahrungen Angst und wollen die Region verlassen. Er tritt dagegen Vorurteilen offen entgegen. Bei der Feuerwehr ist er damit gut gefahren – sie ist für ihn mittlerweile wie eine Familie.

Und dennoch steht sie nur an dritter Stelle. Das Studium sei jetzt das Wichtigste, erklärt der 22-Jährige. Seit einem Jahr besucht er die Hochschule Zittau/Görlitz, insgesamt fünf Jahre dauert das Studium samt Masterabschluss. „Vier Jahre bleibe ich auf jeden Fall noch hier", sagt Anass Halime. Bereits in seiner Heimat Marokko hatte er drei Jahre Informatik studiert. Nur ein paar Schritte von der Hochschule in Görlitz entfernt hat er eine kleine Ein-Raum-Wohnung gefunden. Er fühle sich wohl hier, sagt der junge Marokkaner, und will auch deshalb nicht vor den guten AfD-Wahlergebnissen kapitulieren.

Das Studium half ihm auch, einen Nebenjob zu finden. Für den kommt er regelmäßig nach Zittau – bei der RTT Robotertechnik arbeitet er im Schnitt pro Woche 10 bis 12 Stunden, verteilt auf drei Tage. In den Ferien sind es mehr Stunden, während der Vorlesungszeitweniger. Als ob das nicht genug wäre, ist er noch an den Wochenenden in einem Zittauer Schnellimbiss tätig – jetzt auch schon den dritten Monat.

Vielen Dank an Anass Halime für die Bereitstellung des Artikels.

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